Ein eindringliches Werk über Rassismus, Kolonialismus und Ausbeutung im 19. Jahrhundert. (DR) In Kanton wütet die Cholera. Der kleine Chinese Robin wird von Professor Lovell mit Hilfe eines Silberbarrens geheilt und ins viktorianische England gebracht. Da er sehr sprachbegabt ist, erhält er intensiven Unterricht. In Oxford steht im Universitätsbereich ein Turm mit dem bezeichnenden Namen Babel. Hier lernen und arbeiten nur die begabtesten Linguistik Studenten. Im obersten Stockwerk werden mit Hilfe von Wortpaaren in zwei verschiedenen Sprachen Silberbarren magisch aufgeladen. Diese können je nach Wortpaar Gebäude verstärken, Kutschen und Schiffe schneller fahren lassen oder Kranke heilen. Für den wissbegierigen Robin ist es das Höchste, hier aufgenommen zu werden. Doch bald muss er erkennen, dass diese Barren nur den Reichen zugutekommen und die Unterschicht zunehmend ihre Arbeitsplätze und damit ihre Lebensgrundlage verliert. Robin kommen allmählich Zweifel und er nimmt Kontakt zu einer Untergrundorganisation auf. Im ersten Drittel dreht sich alles um die Feinheiten der Sprache, weshalb man öfters das Gefühl hat, einer Vorlesung beizuwohnen, die Teil der universitären Ausbildung (in Oxford) der Autorin zur Übersetzerin war. Das ist durchaus interessant, manchmal aber auch zu viel des Guten, etwa, wenn Spannungsbögen von etymologischen Erklärungen unterbrochen werden. Später geht es hauptsächlich um Geschichtsvermittlung über den britischen Kolonialismus und dessen schreckliche Auswirkungen auf andere Länder. Es geht um menschenverachtenden Rassismus und »Fake News«, um einen Krieg anzuzetteln. Das alles sind wichtige Themen und leider auch heute noch aktuell. Die Geschichte hat gezeigt, dass das britische Empire das auch ganz ohne Silberbarren geschafft hat. Deshalb spielt Fantasy auch kaum eine Rolle in diesem Roman. Schade, dass der englische Untertitel nicht für die deutsche Ausgabe übernommen wurde, denn er zeigt bereits die Richtung an, die die Geschichte nimmt: Babel or the Necessity of Violence (Babel oder die Notwendigkeit von Gewalt). Mahatma Gandhi hätte das Ende sicher nicht gefallen.
Personen: Franck, Heide Kuang, R. F. Jordan, Alexandra
Kuang, R. F.:
Babel : Roman / R. F. Kuang ; aus dem ameikanischen Englisch von Heide Franck und Alexandra Jordan. - Köln : Eichborn, 2023. - 731 Seiten
ISBN 978-3-8479-0143-3 Festeinband : EUR 26,00
Schöne Literatur - Signatur: Kuang - Buch