Literatur als Schutzimpfung gegen Vergesslichkeit und Mitleidlosigkeit. (Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Bibliothekarin oder Ihren Bibliothekar.) (DR) Christoph Ransmayr ist kein Vielschreiber. Es vergehen immer etliche Jahre, bis der nächste große Roman erscheint. Doch der Autor lässt sein Lesepublikum nicht verhungern. Die Wartezeiten verkürzt er uns mit dünnen, weiß gebundenen Bändchen, die bereits eine ansehnliche Reihe ergeben. "Spielformen des Erzählens" nannte er diese kleinen Kostbarkeiten. Deren neueste enthält drei Dankreden, die 2017 und 2018 anlässlich von Preisverleihungen verfasst wurden, sowie einen Essay, der auf nur sechs Seiten eine ganze Poetik enthält: Er präsentiert uns einen steinzeitlichen "Narbenmann", der nicht mehr zum Jäger taugt, sich aber als Geschichtenerzähler den Respekt seines Clans verschafft. Kein Zweifel, dieser Mann erzählt um sein Leben, denn "Krüppel" werden sonst meist aus der Gemeinschaft ausgestoßen. "Arznei gegen das Zugrundegehen, Kraut gegen die Sterblichkeit" nennt eine Frau seine Geschichten. In ihnen mischt sich Geschehenes mit Erfundenem, sie überliefern die Vergangenheit und eröffnen der Phantasie Möglichkeiten, wie es anders hätte sein können und wie es in Zukunft anders sein kann. Auch die anderen Texte des Bandes stecken voller Gedanken über die Wirkung von Literatur, aber nicht in Form trockener Belehrung, sondern eingebettet in Geschichten und Denkbilder. Für Ransmayr soll Literatur die Erinnerung an die Opfer der Geschichte wachhalten, Verständnis für das Fremde wecken und immunisieren gegen die grassierende Mitleidlosigkeit.
Personen: Ransmayr, Christoph
DR Rans
Ransmayr, Christoph:
Arznei gegen die Sterblichkeit : drei Geschichten zum Dank / Christoph Ransmayr. - Frankfurt a. M. : S. Fischer, 2019. - 62 S. ; 22 x 12,9 cm
ISBN 978-3-10-397478-2 fest geb. : ca. EUR 12,40
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