Ludwig Hirschs Lied äKomm großer schwarzer Vogelô berührte seit seinem Erscheinen 1979. Offenbar in ungewöhnlich intensivem Ausmaß - angeblich spielte Ö3 das Lied nicht nach 22 Uhr, um sensible Hörer_innen nicht zu selbstschädigendem Verhalten anzustiften. Mit dem Freitod des Künstlers 2011 (wie im Text beschrieben begegnete er dem Tod im Zimmer eines Spitals), erlangte es eine zusätzliche Bedeutungsdimension. Doch wer hätte gedacht, dass es titelgebend für einen Roman werden würde? Stefanie Höfler, eine der wichtigsten neuen Stimmen in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur, baut diese Referenz geschickt in ihren Text über die ersten schwierigen Tage nach dem plötzlichen Herztod der Mutter ein. Der vierzehnjährige Ich-Erzähler Ben erinnert sich daran, wie die Mutter einmal gesagt habe, der Tod sei wie ein Flügelschlag: äSie liebte solche Sprüche. Wie der Flügelschlag von einem großen schwarzen Vogel, der vorbeifliegt, und sein Schatten fällt kurz auf den, der zufällig darunter sitzt, und etwas länger auf diejenigen, die vielleicht gerade drum herum sind.ô Später, kurz vor der Beerdigung, findet er den Vater wie so oft apathisch in der Wohnung vor, beim Hören einer Schallplatte: ä'Dunkelgraue Lieder' stand darauf, daneben ein Mann, der grimmig schaute und Ludwig Hirsch hieß. [à] Ma hatte also nicht nur Jazz gehört. Und sie hatte den großen schwarzen Vogel gar nicht selbst erfunden.ô Zum Leitmotiv wird aber nicht der todbringende Vogel, sondern vielmehr die auch am Cover wunderschön inszenierten Bäume, die für Ben und seinen kleinen Bruder Karl immer eine wichtige Rolle gespielt haben und nun auch im Leben Danach eine wichtige Konstante bleiben. Ungeschönt und ehrlich gibt Ben die widersprüchlichen Gefühle wieder, denen er in der Zeit zwischen Tod und Begräbnis ausgesetzt ist: Der Impuls, niemandem davon zu erzählen, aber auch der eigenartige Reiz, andere damit zu schockieren. Die Wut über die Teilnahmslosigkeit des Vaters, aber auch die Sorge, wie das Leben der drei zurückgebliebenen Männer weitergehen soll. Und schließlich das Erstaunen darüber, dass ihm ausgerechnet die unnahbare Lina aus seiner Klasse zu verstehen gibt, sie habe eine Ahnung davon, was er gerade erlebt. Ein gekonnt durchkomponierter Roman für jüngere Jugendliche, dem man daher einzelne Unstimmigkeiten im Plot nachsieht - zumal ganz am Ende dann doch noch ein schwarzer Vogel vorkommt, der nicht den Tod, sondern vielmehr die Rückkehr ins Leben symbolisiert.
Personen: Höfler, Stefanie
JE Höfl
Höfler, Stefanie:
¬Der¬ große schwarze Vogel : Roman / Stefanie Höfler. - Weinheim : Beltz & Gelberg, 2018. - 181 S.
ISBN 978-3-407-75433-2 fest geb. : ca. EUR 14,40
Erzählungen und Romane - Kinder und Jugend