Jüdische Familiengeschichte, die auch Gegenwartsprobleme in den Blick nimmt. (DR) Geradlinig und schnörkellos wird die Geschichte einer jüdischen Wiener Familie in den letzten hundert Jahren mit den bekannten entsetzlich-tragischen Elementen erzählt. Im Fokus stehen die lebenslustige, robuste Fritzi und ihre besonnene Tochter Lea. Fritzi ist in der Nähe des Wiener Praters mit vier Geschwistern unter dem Regiment eines tyrannischen Vaters aufgewachsen. Nach den Novemberpogromen im Jahr 1938 entscheidet der Haustyrann, dass sich seine Töchter Lollo und Fritzi nach England retten müssen. Nach dem Krieg kehrt Fritzi nach Wien zurück und bekommt mit ihrem gutmütigen Mann Albert die Tochter Lea, die sie aber von den dunklen Schatten ihrer Vergangenheit fernzuhalten versucht. Lea jedoch befasst sich in einer Dissertation mit dem Schicksal der Frauen im Warschauer Ghetto und macht sich - bald selber dreifache Mutter - grüblerische Gedanken über die in der NS-Zeit verschickten und verschleppten Kinder. Schicksalsschläge, die mit der Flüchtlingswelle ab 2015 zusammenhängen, fügen der bis dahin scheinbar festgefügten Familie von Lea bedrohliche Risse zu. Lea ist überzeugt, dass die Gespenster der Vergangenheit wieder präsent sind und sich die Geschichte in einem anderen Kleid wiederholt. Die Stärke dieses lesenswerten Romans besteht darin, dass warnende Parallelen gezogen werden zwischen den Ereignissen in der Mitte des vorigen Jahrhunderts und den in letzter Zeit für alle deutlich sichtbar gewordenen Migrationsproblemen.
Personen: Scholl, Susanne
DR Schol
Scholl, Susanne:
Wachtraum : Roman / Susanne Scholl. - Salzburg ; Wien : Residenz-Verl., 2017. - 218 S.
ISBN 978-3-7017-1681-4 fest geb. : ca. EUR 22,00
Romane, Erzählungen und Novellen - Belletristik