Düstere Parabel über ein Dorf, in dem die Kinder gezwungenermaßen das Sagen haben. (DR) Ein abgeschiedenes Dorf in einem nicht benannten Land zu einer unbekannten Zeit ist der Schauplatz dieses beklemmenden Debütromans der österreichischen Autorin Lucia Leidenfrost. Dystopisches Flair wird bereits mit den ersten Zeilen versprüht: Die letzten im Dorf verbliebenen Eltern verlassen, ohne ersichtlichen Grund, ihre Kinder, sodass sich dort nur mehr neunzehn größere und kleinere Kinder und vereinzelte Großeltern, die sich im Verlauf der Geschichte jedoch auch aus dem Staub machen, befinden. Ohne die elterliche Führung bestimmen fortan die Kinder über Gesetze und Regeln des Dorfes - ein anfänglich harmloses Regelwerk wächst sich zunehmend zu einem erbarmungslosen System aus Macht und Gewalt aus, dem sich alle zu unterwerfen haben. Nur Mila beugt sich diesem nicht. Hoffnung und Moral schwinden, sie allein hält daran fest, dass sie ihrem düsteren Schicksal entkommen können. Der Roman lässt vieles im Unklaren und spart mit Erklärungen. Damit entspinnt sich die über dem gesamten Roman stehende Frage: Warum verlassen die Erwachsenen das Dorf und weshalb treiben Eltern ihre eigenen Kinder in diese universale Vernachlässigung? Auf der anderen Seite erzeugt das Gedankenspiel rund um die Kinder als Gesetzgeber ethische Sprengkraft. Höchst spannendes, aber auch verstörendes Buch, das viel Spielraum für Interpretationen bietet. Unbedingt zu empfehlen.
Personen: Leidenfrost, Lucia
DR Leid
Leidenfrost, Lucia:
Wir verlassenen Kinder : Roman / Lucia Leidenfrost. - Wien : Kremayr & Scheriau, 2020. - 190 S.
ISBN 978-3-218-01208-9 fest geb. : ca. EUR 19,90
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