Wie aus zufälligen Entbindungsschauplätzen Kult- und Kommerzorte werden. (DR) Nützen und unterhalten sollten sie - so lautet eine der klassischen Definitionen der an Schriftsteller gestellten Erwartungen. Beide erfüllt der literarische Essay des Autors vorzüglich. Er macht sich auf die Spur der Aura von Geburtshäusern, die oft nur temporäre "Windelorte" waren und im weiteren Leben der dort Geborenen häufig wenig bis gar keine Rolle spielten. Die Auswahl der Protagonisten (ja es sind hauptsächlich Männer) könnte nicht unterschiedlicher sein: von Hitler und Ratzinger, Luther und Bach, Mozart, Jean Paul, Rosa Luxemburg, Einstein, Dollfuß bis zu Celan und Paul Klee spannt sich der Bogen der Anekdoten, Fakten und Fälschungen, verbunden durch kluge und erhellende Reflexionen Lahers. Pointiert setzt er sich mit der Anziehungskraft der Geburtshäuser auseinander, zeigt die oft skurrilen Bemühungen der Betreiber, daraus Kapital zu schlagen. Nicht selten nimmt man es dabei trotz besseren Wissens mit dem Umgang mit historischen Fakten nicht ganz so genau. Mystifizierungswünsche und ideologische Interessen deckt der Essay auf, aber auch den abweichenden Umgang mit Geburtsstätten von berühmten Frauen; diese werden kaum erwähnt oder die öffentliche Erinnerung an sie wird sogar getilgt. - Ein wichtiger Beitrag zur Kultur der Erinnerung. Informativ, kritisch, unterhaltsam, anregend. Dringend allen Bibliotheken empfohlen.
Personen: Laher, Ludwig
DR Lahe
Laher, Ludwig:
Wo nur die Wiege stand : über die Anziehungskraft früh verlassener Geburtsorte / Ludwig Laher. - Salzburg : Otto Müller Verlag, 2019. - 104 S.
ISBN 978-3-7013-1265-8 fest geb. : ca. EUR 17,00
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